Jörg Schmitt-Kilian, Kriminalhauptkommissar a. D.: Ein Insider packt aus

Jörg Schmitt-Kilian und seine Stadtführung "Koblenzer Kriminalgeschichten - Hinter den Kulissen"

Jörg Schmitt-Kilian, Kriminalhauptkommissar a. D., Rauschgiftfahnder und Buchautor ist das neue Team-Mitglied bei unseren Stadtführungen „Koblenzer Kriminalgeschichten“. Er hat über 35 Bücher veröffentlicht. Sein erfolgreichstes Buch, der Spiegel-Bestseller “Vom Junkie zum Ironman“, wurde mit Uwe Ochsenknecht, Max Riemelt und Leslie Malton verfilmt.

Jörg Schmitt-Kilian – unser neues Team-Mitglied bei den „Koblenzer Kriminalgeschichten“

Jörg Schmitt-Kilian wird in Zukunft bei uns nicht nur eine eigene Stadtführung anbieten, sondern es werden gemeinsame Sonderveranstaltungen mit ihm folgen. Sein Buch „Kowelenzer Butze“ gibt es ab sofort nur noch exklusiv bei uns. Es lohnt sich also, immer mal wieder bei uns vorbeizuschauen.

Heute erzählt der ehemalige Koblenzer Kriminalhauptkommissar ein wenig aus dem Nähkästchen.

Wie bist du zur Kripo gekommen? War es ein Kindheitstraum?

Jörg Schmitt-Kilian: Nein, denn mein beruflicher Kindheitstraum war Lokführer (ich hatte einer Märklin-Modelleisenbahn). Mit 14 Jahren hatte ich die Illusion, als Gitarrist eine Musikerkarriere zu starten. Dann ereilte mich der Bescheid für die Musterung. Ich hatte zu dem Zeitpunkt leider meinen bereits zugesagten Studienplatz für Sozialarbeit noch nicht angetreten, denn soweit ich mich erinnere, hätte ich das Studium nicht unterbrechen müssen und wäre erst später „eingezogen“ worden. Dieser Berufswunsch resultierte aus dem ehrenamtlichen Engagement in der Jugendarbeit. Jedoch entwickelte sich alles ganz anders.

Ein Freund aus dem Polizeidienst gab mir den Tipp, mich bei der Polizei zu bewerben. Er sagte, ich hätte dadurch zwei Vorteile: ein – wenn auch geringes – Monatsgehalt und die Möglichkeit, mich vor „dem Wehrdienst zu drücken“. Außerdem könne nach zwei Jahren kündigen und mein Studium beginnen.

Jörg mit seiner alten Polizeiuniform im „Einsatz“

Während meiner Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Mainz wurde ich im Personen- und Objektschutz bei den RAF-Prozessen in Kaiserslautern eingesetzt und später bei der Fahndung nach den Terroristen. Das war eine spannende Zeit.

Nach meiner Versetzung in den Einzeldienst wäre ich gerne auf der Altstadtwache am Münzplatz geblieben. Aber als das 1. Polizeirevier 1978 aufgelöst wurde und wir in das neu erbaute „Mutterhaus“ – diesem hässlichen Betonklotz am Moselring – umziehen mussten, bewarb ich mich bei der Kriminalpolizei.

Jörg Schmitt-Kilian schmunzelt: Übrigens agierte ich während der Dienstzeit auf der „Münz“ in manchen Einsätzen weniger als Strafverfolger, sondern eher wie ein Sozialarbeiter. Ich entschied mich „die Kirche im Dorf “ und „Gnade vor Recht“ ergehen zu lassen, vielleicht am Rande der Legalität, aber wesentlich „menschlicher“ und Polizei sollte doch „Freund und Helfer“ sein. Oder?

Welches war der für dich emotional herausforderndste Fall?

Jörg Schmitt-Kilian, der sonst immer ein Lächeln im Gesicht hat, wirkt bei dieser Frage nachdenklich: Das ist im Nachhinein schwer zu beurteilen, aber am meisten berührt mich, wie alle Männer und Frauen im Polizeidienst, wenn Kinder Opfer von Gewalttaten werden. Ich erinnere mich an den Fall Shari Weber (Anmerkung der Redaktion: Ein Koblenzer (23 Jahre) hatte 1992 die Sechsjährige in seiner Mittagspause verschleppt, sexuell missbraucht und erdrosselt).

Und im Rauschgift-Kommissariat mussten wir Eltern, deren Kinder nach einer Überdosis Heroin oder anderen Drogen verstorben waren, die traurige Nachricht überbringen. Solche Fälle vergisst man nie.

Kann ein Polizist schlimme Fälle vergessen? Wie gehst du damit um?

Jörg Schmitt-Kilian: Psychologen behaupten oft, traumatische Erlebnisse würden mit der Zeit verblassen. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass an Orten, an denen etwas Schlimmes passiert ist, blitzartig Erinnerungen auftauchen und die Vergangenheit gegenwärtig werden lassen.

Wenn ich nach Jahren zufällig an solchen Einsatzorten vorbeikomme (und das lässt sich in Koblenz nicht vermeiden) startet das Kopfkino und die dramatische Situation spielt sich vor meinem „geistigen Auge“ ab, als sei es gestern geschehen.

Welche lustige Anekdote fällt dir zuerst aus deiner beruflichen Laufbahn ein?

Jörg lacht: Da fällt mir zum Beispiel eine Golf-Fahrerin ein, die der Polizei den professionalen Ausbau ihres Fahrerfensters meldete. Als eine Kollegin das „Opfer“ am „Tatort“ um den Autoschlüssel bat, setzte sie sich ins Auto und konnte das vermeintlich gestohlene Fenster hochkurbeln. 😂

Oder mir fallen die beiden Schutzpolizisten ein, die abends zu einer Lärmbelästigung gerufen wurden. Vor Ort begrüßten sie ein weibliches Empfangskommando in Reizwäsche. Die Damen hatten die beiden Beamten mit Strippern in Pilotenuniform verwechselt, die sie als Geburtstags-Überraschung für ihre Freundin gebucht hatten, und, und, und… Einige werde ich auf meiner Tour „Koblenzer Kriminalgeschichten – Hinter den Kulissen“ erzählen.

Darauf, lieber Jörg Schmitt-Kilian, freuen wir uns schon jetzt!

Ist Koblenz heute eine sichere Stadt?

Jörg Schmitt-Kilian: Alle Statistiken können manipuliert werden, wie das berühmte Zitat von Churchill andeutet: „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“. In unserer seit der Buga noch liebenswerteren Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel können wir trotz einiger spektakulärer Mordfälle „sicher leben“. Und das, obwohl Koblenz auf einer Rankingliste vor geraumer Zeit als eine der unsichersten Städte in Deutschland bewertet wurde.

Dabei wurden jedoch lediglich die absoluten Zahlen der PKS (Polizeiliche Kriminalstatistik) übernommen, ohne zu hinterfragen, um welche Delikte es sich handelt. Bei genauerem Hinsehen hätte man erkennen können, dass die Zahl der illegalen Graffiti-Fälle für die hohe Zahl verantwortlich war. Wir haben hier in Koblenz seit Jahrzehnten ein Projekt „ins Leben gerufen“, bei dem diese illegalen Schmierereien in die Statistik eingetragen werden, was anderswo vernachlässigt wird oder ein kleineres Problem ist.

Bei seinen Stadtführungen „Koblenzer Kriminalgeschichten – Hinter den Kulissen“ erfährst du Insiderwissen

Dies ist der beste Beweis, dass neben vielen anderen Aspekten statistische Zahlen beeinflusst werden. Wir waren (und sind) in Koblenz bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität sehr aktiv und daher haben wir höhere Zahlen zu vermelden als andere Präsidien, die eventuell die Verkehrsunfallproblematik verstärkt im Visier haben oder unterschiedliche Schwerpunkte bei der Kriminalitätsbekämpfung setzen.

Außerdem darf man nicht verkennen, dass das Dunkelfeld strafbarer Taten (die nicht angezeigt bzw. bekannt werden) enorm hoch ist und wenn man statistische Zahlen unter mehreren Aspekten betrachtet, relativieren sich viele Aussagen, die oft einen falschen Eindruck erwecken.

Inzwischen bist du nicht mehr im Dienst. Vermisst du es manchmal?

Jörg Schmitt-Kilian: Bei den täglichen massiven Angriffen auf Polizeikräfte – sogar bei geringfügigen Anlässen – hält sich mein sehnsüchtiger Blick zurück stark in Grenzen. Manchmal vermisse ich die intensive Kameradschaft und die elektrisierenden Momente, die den Polizeidienst so einzigartig machten.

Ich möchte mich zwar nicht in die Reihe derer einordnen, die der Meinung sind, dass „früher alles besser war“, aber derart massive Gewalt haben wir damals selten erlebt. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht über einen brutalen Angriff (schwere Körperverletzungen bis zum „worst case“ eines Tötungsdelikts) berichten.

Ich bewundere die jungen Frauen und Männer im Polizeidienst! Sie erleben in einem einzigen Schichtrhythmus oft mehr dramatische Begegnungen und Gewalt gegen die eigene Person, als andere Menschen in ihrem ganzen Leben. Nicht selten werden sie – zunehmend auch Feuerwehrleute und Rettungssanitäter – sogar bei Einsätzen attackiert, bei denen sie anderen Menschen helfen wollen.

Du bist heute ein bekannter Autor unzähliger Kriminalromane, in denen du spektakuläre Fälle verarbeitest. Wie kamst du zum Schreiben?

Jörg Schmitt-Kilian: Ich hatte bereits in den 80er Jahren eine „Anleitung für Rauschgiftfahnder“ geschrieben und mit einem Kollegen das Konzept „5 vor 12 für Prävention“ entwickelt, das von Minister Zuber (Anmerkung der Redaktion: Zuber war 14 Jahre lang unter den Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und Kurt Beck Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz) als herausragendes Beispiel für präventive Polizeiarbeit den anderen Präsidien empfohlen wurde.

Nachdem die Medien über unsere „Pionierarbeit im Rahmen der Drogenprävention“ berichteten, bat mich der „Verlag Deutsche Polizeiliteratur“ ein Buch zu schreibe. Es sollte eine Mischung aus Sachinformationen zu Drogenproblematik und meinen Begegnungen mit Jugendlichen, Eltern, Lehrern, Dealern und Suchtkranken sein.

Als ich – damals noch unerfahren im Verlagswesen – das Manuskript abgegeben habe wollte der Lektor mich – anstatt mir ein Honorar zahlen – davon überzeugen, es wäre doch Anerkennung genug, wenn mein Name auf einem Buch stünde. Jörg Schmitt-Kilian grinst: Ich habe das erste Buch daher zunächst mit der Druckerei FUCK ohne Verlag auf dem Markt angeboten. Nachdem die erste Auflage schnell vergriffen war, ging es, einen Anschlussvertrag in der Tasche, mit dem Heyne Verlag weiter.

Ich hatte zur richtigen Zeit das richtige Thema besetzt. Nachdem mein Buch „Vom Junkie zum Ironman“ in den Pressemeldungen als Nachfolger des seinerzeit einzig bekannten STERN-Buchs „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ empfohlen wurde, war das der erste „Durchbruch“.

Bereits beim dritten Buch „Wi(e)der die Ohnmacht“, das ich gemeinsam mit Oberstaatsanwalt Klaus Sulzbacher geschrieben habe, wurde ich nach einer Empfehlung im SPIEGEL von vielen Fernsehsendern eingeladen.

Jahre später, als mein Buch VOM JUNKIE ZUM IRONMAN 17 Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste platziert war, welches mit Leslie Malton, Max Riemelt, Uwe Ochsenknecht und anderen bekannten Schauspielern als Kinofilm produziert wurde, war das der endgültige „Durchbruch“.

Was bedeutet das Schreiben für dich?

Jörg Schmitt-Kilian: Das Schreiben begann für mich als eine Art Ventil, sich „Dinge von der Seele zu schreiben“. Anfangs waren es nur Notizen, kleine Erzählungen oder Fragmente, die ich für mich selbst festhielt. Doch je mehr ich schrieb, desto mehr erkannte ich das Potenzial, die Geschichten nicht nur festzuhalten, sondern mit anderen zu teilen.

Der Übergang von meinen beruflichen Erlebnissen hin zu fiktiven Kriminalromanen war beinahe organisch. Es schien mir, als ob die Ereignisse, die ich erlebt hatte, selbst nach einer literarischen Verarbeitung verlangten. Dabei war es mir wichtig, die Realität des polizeilichen Alltags mit der dramaturgischen Freiheit der Fantasie zu verbinden. Die Authentizität der geschilderten Details kombiniert mit einer fesselnden Handlung bildet das Herzstück meiner Bücher.

Inzwischen sind über 35 Bücher und Themenhefte mit einer Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplare erschienen, eine Entwicklung, von der ich niemals zu träumen gewagt hatte.

2025 bist du zu den “Koblenzer Kriminalgeschichten” gekommen. Was macht deine Tour so besonders und warum sollte man sie mitgemacht haben?

Jörg Schmitt-Kilian: Ich kann über viele selbst erlebte Ereignisse berichten – sei es humorvoll, dramatisch oder nahezu unglaublich. Ich gewähre den Gästen einen Blick hinter die Kulissen, wie zum Beispiel beim Mord an der texanischen Touristin Amy Lopez, deren Leiche 1994 auf der Festung Ehrenbreitstein gefunden wurde. Anhand dieses Beispiels erkläre ich den Teilnehmer*innen die Arbeit mit der DNA Analysedatei des BKS (denn Mord verjährt nie) und wie Täter aufgrund von DNA-Spuren identifiziert werden können.

Meine Erzählungen ergänze ich mit Fotos und „Beweismaterial“, ohne dabei Dienstgeheimnisse oder Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Unter anderem berichte ich von außergewöhnlichen Ermittlungsmaßnahmen und Strategien der organisierten Kriminalität.

Da ich gerne in Koblenz gelebt habe, regelmäßig durch die Altstadt schlendere und von einer Krimi-Tour mit Jule begeistert war, freue ich mich künftig einen kleinen Beitrag zum Erfolg des Projekts „Koblenzer Kriminalgeschichten“ zu leisten.

Lieber Jörg Schmitt-Kilian, wir danken dir für deine Zeit und freuen uns riesig auf deine außergewöhnliche Krimi-Tour „Koblenzer Kriminalgeschichten – Hinter den Kulissen“, sowie weitere gemeinsame „Straftaten“.

Wenn du mehr über Jörg erfahren möchtest, dann findest du hier seine Seite.

Seine neuen Krimi-Touren werden bald hier veröffentlicht.

Wir freuen uns auf euch-

Kristina Venus und ihr Team

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