Augenroller: Mythos oder Wahrheit?

Der Augenroller in Koblenz: Mythos oder Wahrheit?

Augenroller, ein weiteres und sehr bekanntes Wahrzeichen in Koblenz: Ein kleiner Kopf unterhalb einer Uhr. Und wer nicht aufmerksam ist, merkt gar nicht, dass die Augen sich bewegen und jede halbe und volle Stunde dort etwas passiert.

Wo ist der Augenroller zu finden?

Den Augenroller findest du am Florinsmarkt in der Koblenzer Altstadt am Alten Kaufhaus. Wenn du von der Altstadt kommst, ist es das weiße Gebäude mit den roten Verzierungen und dem Uhrturm am Kopfende des Platzes.

Was stellt der Augenroller dar?

Erzählungen nach, handelt es hierbei um Johann Lutter von Kobern. Dieser wurde im 16. Jahrhundert in eine alteingesessene Adelsfamilie in Koblenz-Moselweiß hineingeboren. Sein Vater, Eberhard Lutter, besetzte einige wichtige Ämter in Koblenz. Seine Mutter Eva, geborene von Milwalt, entstammte aus einer reichen Adelsfamilie aus Oberwesel.

Johann Lutter Kobern startete seine berufliche Laufbahn als Vogt. Dieser hatte den Vorsitz im Landgericht und musste die Landesverteidigung im Namen des Trierer Kurfürsten organisieren.

Was ist schief gelaufen?

Es begann also alles vielversprechend. Doch im Laufe seines Lebens verarmte Johann Lutter von Kobern und er verschuldete sich. Warum, ist nicht bekannt.

Daraus entstand dann eine kriminelle Laufbahn. Er verdingte sich als Wegelagerer und im Mai 1536 wurde er wegen Straßenraubes angeklagt.

Ihm konnten alle Taten jedoch nicht direkt bewiesen werden. Doch die bloße Absicht reichten den damaligen Richtern aus, um Johann Lutter von Kobern zum Tode zu verurteilen.

Die Hinrichtung

Fünf Monate sollte der Prozess dauern. Johann Lutter von Kobern hat einige Geständnisse zu Überfällen abgeliefert, in der Hoffnung, dass seine Strafe dadurch abgemildert würde. Er schrieb auch einen Bittbrief an den Erzbischof in Köln. Beide Versuche nutzen ihm jedoch nichts.

Am 14. Oktober 1536 wurde Johann Lutter von Kobern in einem Wagen durch die Koblenzer Innenstadt gezogen bis zum Hinrichtungsplatz, wo das Urteil vollstreckt wurde.

Auf dem Weg dorthin soll er die Augen wild verdreht, die Zunge herausgestreckt und die Stadt verflucht haben, weil er enttäuscht von der Koblenzer Rechtsprechung war.

Wie kommt der Augenroller unter die Uhr?

Diese Fratzen sollen als Vorbild für das Relief unter der Uhr gegolten haben. Und der Verbrecher selbst soll der Stadt gedroht haben, dass wenn man ihm kein Denkmal setze, es ihr zukünftig schlecht erginge. Wann es dort hin gelangte, weiß man nicht genau. Aber es wurde bei den Luftangriffen auf Koblenz 1944 beschädigt und anschließend gestohlen.

1965 beim Wiederaufbau des Koblenzer Kaufhauses wurde ein neuer Augenroller, jedoch größer, dafür nicht mehr so grimmig, angebracht.

Stimmt die Geschichte?

Es handelt sich um Erzählungen. Die Geschichte vom Johann Lutter von Kobern stimmt. Die kann man nachlesen. Aber ob der Augenroller tatsächlich ihm gewidmet wurde, ist mehr den Mythen zu verdanken. Denn nachgewiesen ist der Teil der Geschichte nicht.

Den Augenroller findest du an mehreren Häusern

Warum ist der Augenroller an zwei weiteren Häusern in der Koblenzer Altstadt zu finden? Auch hierbei handelt es sich um einen Mythos.

Wohlbetuchte Menschen haben sich die Fratze ans Haus befestigen lassen, um ihr Haus vor Dieben und Vagabunden zu schützen.

Aber was macht der Augenroller auch in anderen Städten?

Zum Beispiel kannst du ein ähnliches Wahrzeichen in Köln am Rathaus finden. Auch in anderen deutschen Städten sind ähnliche Fratzen zu entdecken.

Diese wurden statt Augenroller auch Augenwender genannt und galten den im Mittelalter für die Sicherheit sorgenden Türmer. Diese hielten in den Städten nach allen Richtungen Ausschau nach Gefahren. Dafür soll die Bewegung der Augen stehen. Die Türmer riefen aber auch stündlich die Uhrzeit aus. Dafür steht die Öffnung des Mundes.

Was stimmt nun?

Wir wissen es nicht genau! Legenden und Mythen sind schöne Geschichten, die gerne weiter erzählt werden. Ob sie der Wahrheit entsprechen, ist den Menschen nicht ganz so wichtig wie der Unterhaltungswert.

Aber sehenswert ist unser Augenroller allemal. Achte mal genau auf die Augen des Augenrollers. Sie bewegen sich sekündlich hin und her.

Und jede halbe und volle Stunde streckt der Augenroller seine Zunge im Takt der Glockenschläge heraus.

Der Augenroller ist bei jeder Stadtführung eines der vielen Highlights in Koblenz

Meine Empfehlung

Mache einen Spaziergang am Rhein- und Moselufer, schaue dir das Deutsche Eck an. Danach gehst du zum Florinsmarkt und wartest, bis der Augenroller dir seine Zunge gezeigt hat.

Anschließend kannst du dich in der Stadt stärken.

Anreise

Mit dem Bus kannst du die Linie 1 nehmen und bis zur Haltestelle Alstadt/Kornpfortstraße fahren.

Mit dem Rad kannst du direkt bis zum Florinsmarkt radeln.

Mythen entstehen. Sagen wurden gelebt. Märchen werden gemacht.

Wolfdietrich Schnurre, deutscher Schriftsteller

Aussicht auf nächste Woche

Es geht in die große weite Welt – ohne Koblenz zu verlassen. Du kennst die Persönlichkeit, über die ich nächste Woche berichte, und doch wirst du nicht wissen, dass der Ursprung hier in Koblenz war.

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One reply to “Augenroller: Mythos oder Wahrheit?”

  1. […] Die einzige Geräuschkulisse kommt von den Vögeln, die sich diesen wunderschönen Ort mit dir teilen, von den Kirchenglocken oder von der Turmuhr des Augenrollers. […]

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