Schloss? Burg? Was denn nun? Auf jeden Fall noch gar nicht so alt. Aber die Eigentümer, derer es mehrere waren, haben sich mit diesem Bauwerk einen Namen gemacht. Und ich habe nur die bedeutendsten herausgesucht. Es waren derer sehr viel mehr!
Schloss Drachenburg habe ich an einem Feiertag besucht. Zum Glück bin ich morgens sehr früh mit der Bahn losgefahren, so dass ich eine der ersten Besucher war und den großen Ansturm nachmittags hinter mir lassen konnte.
Ein Tagesausflug der besonderen Art
Ich wollte mein Deutschlandticket nutzen und bin morgens um kurz nach 9 Uhr zum Bahnhof gefahren, um mit dem erst möglichen Zug loszufahren. Ich wollte mich überraschen lassen. Die erste Bahn, die ich nehmen konnte, fuhr Richtung Norden.
Da meine Tochter mir erst kurz vorher von diesem Schloss vorgeschwärmt und ich mich schon etwas eingelesen hatte, war das Ziel sehr schnell besiegelte Sache.
In knapp einer Stunde bist du vom Koblenzer Hauptbahnhof in Königswinter. Von dort kannst du zu Fuß gehen oder mit der ältesten Zahnradbahn Deutschlands, der Drachenfelsbahn fahren.
Wie immer du dich entscheidest, beide Varianten sind wunderschön. Auch wenn ich mich für den Fußweg entschieden habe. 😎
Der Erbauer von Schloss Drachenburg
Eine recht außergewöhnliche Person! Von ganz unten nach ganz oben und doch alles am Ende umsonst gewesen? Auf jeden Fall handelte es sich um einen Mann mit einem außergewöhnlichen Geschmack.
Vom Gastwirtsohn zum Finanzgenie
Freiherr Cornelius Stephan von Sarter war der Sohn eines Bonner Gastwirtes, der leider nach der Zerstörung seines Gasthauses durch zahlungssäumige Studenten aufgeben musste. Des einen Pech, des anderen Glück.
Denn die Familie musste bei Kölner Verwandtschaft unterkommen. Dort begann Stephan von Sarter 1849 beim Bankhaus Leopold Seligmann eine Banklehre. Das Bankhaus Seligmann wurde übrigens 1811 in Koblenz gegründet. Das Haus kannst du heute noch in der Neustadt, unweit des Stadttheaters, von außen besichtigen.
Von Sarter entwickelte sich mit der Zeit zu einem gefragten Finanzfachmann und machte mit Spekulationsgeschäften sehr viel Geld und sein Einfluss wurde dadurch groß.
Wie man sich selbst adelt
Mit diversen Spenden und dem Einfluss eines Botschafters wurde das Finanzgenie am 22. Mai 1881 in den Freiherrenstand erhoben und durfte sich fortan Freiherr nennen. Sein selbst erstelltes Wappen kannst du heute noch an der Drachenburg bewundern mit Sarter´s Lebensmotto: „Wäge und wage“.
Nur ein Jahr nach seiner „Beförderung“ in den Adelsstand ließ sich von Sarter ein standesgemäßes Gebäude bauen, das Schloss Drachenburg. Seine Wahlheimat war damals Paris, in der er auch beruflich sehr viel zu tun hatte. Aber dieses Luxusgebäude, welches für 1,7 Millionen Mark kostete, ließ er auf dem Drachenfels bauen, mit Blick auf seine alte Heimat.
Wer weiß, vielleicht war dies seine späte Rache für die elterliche Schande….
Für die Liebe gebaut und doch nie bewohnt
Stephan von Sarter ließ das Schloss für seine Jugendliebe bauen. Diese verstarb noch während der Bauarbeiten. Und auch der Freiherr wohnte nie in dem Schloss. Er verstarb 1902 als Junggeselle in seiner Pariser Wohnung an einer Lungenentzündung. Seinen Nachlass hatte er nicht geregelt. Das Schloss wurde versteigert.
Der Neffe und die erste touristische Nutzung
Jakob Biesenbach, der Neffe des Freiherren, erwarb 1903 das Schloss Drachenburg für nur 950.000 Mark. Um sich dieses Gebäude leisten zu können, plante er ein Hotel. Dafür ließ er den Burghof abreißen. Im Park erbaute er Blockhäuser für weitere Feriengäste. Ebenso wurde ein Wildgehege angelegt und das Schloss fungierte als Gesellschaftshaus. Im Untergeschoss wurde ein Restaurant eröffnet.
Gäste durften die oberen Räume gegen ein Entgelt besichtigen. Durch den Verkauf von Postkarten und Drucke stockte Biesenbach seine Einnahmen weiter auf.
Höher, weiter, besser – Es folgt ein Volksvergnügungspark
Nur sieben Jahre später verkaufe der Neffe alles wieder an den Rittmeister a. D. Egbert von Simon. Dieser hatte noch größere Pläne als sein Vorbesitzer.
Als Freizeitpark sollte das Anwesen finanziell gewinnbringend werden. Geplant waren neben dem Hotel noch ein Festspieltheater, sowie ein Luftschiff für kurze Vergnügungsfahrten über das Siebengebirge.
Leider überstiegen die Kosten der Planungen bei weitem seine Finanzen, so dass es nie dazu kam. Bis zu seinem Tod im zweiten Weltkrieg 1915 wurden lediglich ein Naturtheater und Gartenbau- und Kunstausstellungen betrieben, die aber kaum Geld einbrachten.
Vom Mieter zum neuen Eigentümer
Hermann Flohr, ein Kölner Fabrikant, der als Hersteller für Militärausrüstung zu Reichtum kam, wohnte einige Jahre in dem Schloss als Mieter. Bei der erneuten Versteigerung des Anwesens erwarb er 1921 den Burghof und 1923 Schloss Drachenburg.
Die Blockhäuser stellte er dem Frauenverein des Deutschen Roten Kreuzes als Genesungsheim zur Verfügung. Er selbst nutzte das Schloss lediglich als Wochenendwohnsitz (man gönnt sich ja sonst nichts).
1930, Flohr war wie so viele durch die Wirtschaftskrise finanziell stark angeschlagen, übergab er alles einem katholischen Orden. Dieser ist auf das Anwesen durch eine Anzeige aufmerksam geworden. Flohr verschwieg aber die hohen Steuerschulden. Ein Großteil der Inneneinrichtung des Schlosses wurde in der Zeit versteigert.
Was ein Jungeninternat mit der Venus macht
Die Heimschule St. Michael, ein Jungeninternat bezieht 1931 das Schloss Drachenburg. Aus der Kunsthalle wird kurzerhand eine Kapelle. Die ehemalige Trinkstube wurde eine Sakristei. Die Blockhütten dienten nach einem kleinen Umbau als Schlafstätte der Jungen.
Alle als anzüglich empfundenen Skulpturen und Darstellungen, wie die Venus im Garten und die Darstellung von Orgien wurden entfernt oder abgedeckt.
Doch auch die Heimschule sollte nicht lange im Schloss verweilen. Denn die Nationalsozialisten brauchten Platz.
Die Wirren des zweiten Weltkrieges
1938 musste die Heimschule auf Druck der Nationalsozialisten schließen. Diese planten schon nach der Machtübernahme 1933 ein großes Landerholungsheim in Königswinter. Die konfessionelle Schule St. Michael war der NS ein Dorn im Auge. Und das ließen sie diese auch spüren.
Immer wieder kam die Gestapo in die Schule. Am 19. September 1940 kaufte die Deutsche Arbeitsfront das Schloss inklusive dem Burghof für 600.000 Reichsmark. Es wurde die Adolf-Hitler-Schule eröffnet. Der Park des Schlosses diente fortan der militärischen Ausbildung. Ab dem Sommer 1944 war im Schloss die Koblenzer Adolf-Hitler-Schule 4 untergebracht.
Gegen Kriegsende stand das Schloss Drachenburg unter starkem Artilleriebeschuss. Dabei wurden fast alle Buntglasfenster zerstört.
Die Amerikaner übernehmen das Schloss
Im März 1945 besetzten amerikanische Truppen kampflos Schloss Drachenburg. Sie richteten ihr Oberkommando vor Ort ein.
Später wurden Flüchtlinge in den Räumen untergebracht. Danach fehlten viele Wandgemälde. Viele Bilder waren ohne Rücksicht von Verlusten von den Wänden gerissen und gestohlen worden.
Die ersten Schritte nach der Zerstörung
In der Zeit von 1947 bis 1960 nutzte die Reichsbahn Wuppertal die Räumlichkeiten und reparierte erst einmal notdürftig die Schäden. Sie eröffneten 1948 die Reichsbahnschule. Der Direktor der Schule hatte sein Büro im Nibelungenzimmer (ein Raum, in dem durch Wandgemälde und Glasmalereien die Nibelungensage nacherzählt wird).
Die ursprünglichen Besitzer von Schloss Drachenburg, die Schulbrüder, verzichteten auf ihre Rückerstattungsansprüche. Somit ging das Anwesen in den Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen über. 1960 wurde die Schule von der Deutschen Bundesbahn verlegt, so dass Schloss Drachenburg erneut leer stand.
Ein weiteres dunkles Kapitel beginnt
Schloss Drachenburg stand nach dem Auszug der Bundesbahn mehrere Jahre leer. Zu der Zeit bestand wenig Interesse der Öffentlichkeit an Gründerzeitimmobilien. Daher sollte Schloss Drachenburg abgerissen werden. Geplant war ein großer Bürokomplex an gleicher Stelle.
Doch die Bevölkerung, die Denkmalpflege, einige Politiker und der Heimatforschers Theo Hardenberg stellten sich erfolgreich gegen die Pläne. Der Abriss wurde verhindert, aber das Anwesen wurde trotzdem nicht weiter genutzt.
Das Schloss und der Park verfielen immer mehr. Durch unzählige Plünderungen und Vandalismus wurde die Inneneinrichtung stark in Mitleidenschaft gezogen. Vieles verschwand in dieser Zeit. Obdachlose bewohnten das Gebäude. Die Holzvertäfelungen wurden größtenteils als Brennholz genutzt.
1971 kommt die Wende mit Spinat
Paul Spinat (der Mann hieß wirklich so), ein Textilkaufmann, kaufte das gesamte Anwesen 1971 und rettete es somit vor dem vollständigen Verfall. Er hatte gemeinsam mit seiner Tochter Erika ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, in welchem maßgeschneiderte Damenbekleidung produziert wurde. Außerdem verdiente Spinat sehr viel Geld mit Immobiliengeschäften.
Der Exzentriker fiel schon Ende der 1950-er mit dem Umbau seines Hauses in Bad Godesberg auf. Er stattete sein einfaches Holzhaus mit Türmen, Zinnen und Bogen aus, dass sogar die Zeitung vor Ort darüber schrieb. Spinat sammelte alles mögliche und legte sich wie Sarter ein eigenes Wappen zu.
Schloss Drachenburg kaufte er dem Land Nordrhein-Westfalen für 500.000 DM ab und finanzierte das Ganze über einen Bausparvertrag. Weitere Summen verschlang die Renovierung und seine ausgefallenen Wünsche. Er lud junge angehende Künstler ein, die die zerstörten Wandmalereien rekonstruierten. Man kann heute noch bei einigen Malereien die wenig geschulte Künstlerhand erkennen.
Spinat öffnete das Anwesen für Besucher und erhoffte sich so die Refinanzierung der hohen Ausgaben. Doch seine Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen.
Weitere Versuche, die Finanzen aufzustocken
Dann versuchte es Spinat mit Ausstellungen. Es waren sogar Werke von Salvador Dali und Marc Chagall dabei. Es folgten Konzerte und immer mehr Prominente wurden eingeladen, die für Glanz sorgen sollten. Andy Warhol war einer von ihnen.
Im Rausch der Aufmerksamkeit kaufte Paul Spinat 1975 Schloss Marienfels bei Remagen. Dabei handelt es sich um das Schloss, das später einmal Thomas Gottschalk gehörte. Spinat war kurz vor seinem Tod stark verschuldet.
Phantasieuniform und eine Treppe ins Nichts
Paul Spinat setzte sich selbst sehr gerne in Szene. Er besaß einen goldenen Rolls Royce, mit dem er sich häufig zeigte. Er ließ sich eine Phantasieuniform schneidern, in der er sich seinen Gästen auf einer Treppe in der Kunsthalle präsentierte, die ins Nichts verlief und einzig für diesen Zweck gebaut wurde.
Er selbst nannte sich „Graf Spinat“. Offensichtlich war er mit seiner Haarpracht wenig zufrieden, so dass er nur mit einem Toupet unter die Leute ging.
Er täuschte sogar seine letzte Frau bis zu seinem Tod
Spinat ließ sich eine Orgelattrappe ins Musikzimmer bauen. Er zelebrierte darauf Konzerte. Die Musik kam aber vom Band. Seine Frau glaubte bis zu seinem Tod, dass ihr Mann ein hervorragender Orgelspieler sei.😄
1989 verstarb Spinat, der bis zu seinem Tod auf Schloss Drachenburg gelebt hat. Man hat ihn in Königswinter auf dem Friedhof neben den Erbauer, Stephan Freiherr von Sarter beerdigt.
Ein neues Zeitalter beginnt
Schon zu Lebzeiten von Paul Spinat wurde Schloss Drachenburg 1986 unter Denkmalschutz gestellt. Gleich nach dem Tod von dem Exzentriker erwarb das Land NRW das Anwesen für 8 Millionen Euro ein zweites mal. Ein Jahr später wurde es an die Stadt Königswinter verkauft, die den Besitz an die Stiftung Nordrhein-Westfalen übertrug.
Diese war es dann auch, die Schloss Drachenburg umfangreich über insgesamt 15 Jahre renovierte und das Anwesen weitestgehend wieder in den Originalzustand brachte. Das Schloss wurde auch möbliert und ist seit Frühjahr 2010 wieder komplett zu besichtigen.
Paul Spinat hat zu Lebzeiten 1986 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen, da er Schloss Drachenburg vor dem Verfall gerettet habe. Doch die Bausubstanz war zu Spinat´s Zeiten schon arg angegriffen und das Anwesen wäre sicherlich nach einigen Jahren zusammengestürzt.
Was man aber sicher sagen kann, dass es Spinat´s Verdienst ist, dass er das Schloss wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Und sicher haben seine ekzentrischen Auftritte dafür Sorge getragen, dass Schloss Drachenburg zu großer Bekanntheit gelangte.
Schloss Drachenburg heute
Das gesamte Anwesen kannst du in wenigen Stunden besichtigen. Die einzelnen Räume sehen so aus, als würde jeden Moment der Schlossherr und seine Gäste hereinkommen.
Man wird in eine andere Zeit versetzt und teilweise erschlägt einen die Vielfalt, die man in fast jeder Ecke entdecken kann.
Es gibt unterschiedliche Führungen. Und es werden immer wieder Audio-Vorträge angeboten, die sehr interessant sind. Im Untergeschoss kannst du dir sogar ein Original-Fernseh-Interview mit Paul Spinat ansehen.
Es gibt ein Restaurant und du hast die Möglichkeit, auf dem Schloss zu wohnen. Es gibt zwei Suiten, die sehr beliebt sind. Denn 2023 sind beide komplett ausgebucht. Wenn du in einer Suite wohnst, hast du die Möglichkeit, das Anwesen außerhalb der Öffnungszeiten für dich alleine zu genießen. Hier erhältst du alle Informationen dazu.
Anreise
Mit dem Zug kannst du bis zum Bahnhof Königswinter fahren. Von dort geht es entweder zu Fuß durch das wunderschöne Nachtigallental hoch hinauf zum Drachenfelsen.
Oder du fährst mit der historischen Drachenfelsbahn. Alle 30 Minuten fährt eine Bahn. Bei hohem Besucherandrang sogar alle 15 Minuten. Die Zahnradbahn hält direkt vor Schloss Drachenburg. Eine einzelne Fahrt kostet pro Erwachsenen 10 Euro. Eine Hin- und Rückfahrt kostet 12 Euro. Das Deutschlandticket gilt hier nicht.
Meine Empfehlung
Entweder, du reist unter der Woche an. Dann hält sich der Besucherstrom in Grenzen. Außer in den Ferien. Wenn du am Wochenende oder an einem Feiertag anreist, dann empfehle ich dir, wirklich morgens als eine der Ersten dort zu sein. So kannst du dir die ersten Stunden ziemlich ungestört alles anschauen.
Ich empfehle auch, unbedingt einen Spaziergang durch den angrenzenden Park zu machen. Dort steht noch ein original Holzhaus, welche damals alle Richard Wagner zu Ehren Namen wie Isolde, Brunhilde, Siegfried oder Tristan bekamen.
Steig auch auf den Turm. Von dort oben hast du einen fantastischen Blick. Bei gutem Wetter kannst du sogar den Kölner Dom erkennen. Beeindruckend!
Mögest du in interessanten Zeiten leben!
Chinesischer Spruch
Aussicht auf nächste Woche
In einem Koblenzer Stadtteil trafen sich im 19. Jahrhundert die größten und bekanntesten Vordenker unserer Geschichte. Aber die wenigsten kennen die Geschichte dieses unscheinbaren Gebäudes.
Also, sei gespannt auf nächsten Montag. Wie immer, um 7 Uhr wird der Artikel veröffentlicht.
Frage
Warst du schon auf Schloss Drachenburg? Kannst du dich noch an den sonderbaren Paul Spinat und seine letzte Ehefrau, Erina von Sachsen erinnern? Schreib mir doch mal hier unter dem Artikel in die Kommentare. Ich freue mich, von dir zu lesen!
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One reply to “Schloss Drachenburg – Schloss oder Burg? Auf jeden Fall eine irre Geschichte”
[…] Freiherren von Breitbach-Bürresheim haben übrigens ein ähnliches Wappen wie die der Burggraf von Drachenfels und man vermutet eine […]