Koblenz Crime – es wird spannend und wirft Fragen auf…. Ein ehemaliger SEK-Beamter, der eine Bank überfällt. Eine mit Fehlern behaftete Vorgehensweise vor Ort. Ein Held, der einer Frau das Leben rettet. Dieser Held wird posthum geehrt und es wird ein Denkmal aufgestellt. Aber nicht vor Ort. Und heute ist es vor der Öffentlichkeit regelrecht versteckt. Tatort Koblenz!
Ein ganz normaler Tag wird zum Alptraum
Am 5. Oktober 1982 beginnt der Tag wie immer für die Bankangestellten der Sparkassenfiliale am Schenkendorfplatz in Koblenz.
Gegen 12 Uhr, kurz vor der Mittagspause, wird der Alltag in dieser Filiale durch das Betreten zweier bewaffneten Männer jäh durchbrochen und es beginnt ein Alptraum für alle neun Anwesenden.
Ein SEK-Beamter, der auf die schiefe Bahn kommt
Gerhard Benoit, der von 1973 bis 1978 als Polizeibeamter der Landespolizei Nordrhein-Westfalen und bei der SEK (Sondereinsatzkommando) in Köln tätig war, war der Anführer dieses Banküberfalls.
Benoit war schon als Jugendlicher kein unbeschriebenes Blatt. Er brach mit 16 Jahren in die Jagdhütte seines Onkels ein. Dieser erwischt ihn dabei. Der junge Benoit hat eine Schusswaffe, von der er auch Gebrauch macht. Der Onkel stirbt und der Junge wird zu sechs Jahren Jugendhaft wegen Totschlags verurteilt (und konnte trotzdem zur Polizei gehen…..).
Später in seinem Leben, er ist inzwischen verheiratet, verlässt ihn seine Ehefrau. Das Geld reicht nicht mehr und Benoit überfällt einen Metro-Markt. Dazu nutzt er einen Streifenwagen der Polizei! Damit war seine Polizeikarriere endgültig beendet.
Durch diverse Schulungen bei der Polizei hatte er umfangreiches Hintergrundwissen, wie ein Krisenstab bei Banküberfällen mit Geiseln agiert.
Sein Komplize war der damals 36-jährige Tischler Ernst Schluschus. Dieser fühlte sich damals mit Benoit sicher. „Mittags mal kurz in die Bank, Geld erhalten, Angestellt einschließen und wieder weg,“ sagte er später in der Verhandlung aus.
Benoit war davon überzeugt, dass es bei einer Geiselnahme nicht zu einer Schießerei kommen darf, damit der Innenminister nicht seinen Job verlieren will. So erzählte er es in der späteren Verhandlung.
Doch es kam anders als gedacht
Was aber dann den Tag über passierte, damit hatten die zwei Gangster wohl nicht ansatzweise gerechnet. Wohl auch niemand aus den Reihen der Verantwortlichen. Und noch weniger die Geiseln.
Der Krisenstab war darauf geschult, die Verhandlungen mit den Verbrechern so zäh wie möglich zu gestalten, da diese Taktik bisher die erfolgreichste war. Man wollte eine Rundreise der Gangster vermeiden und Verhandlungen am Tatort vollziehen.
Während der Tat ertappte Benoit den Filialleiter beim Telefonieren bekam mit, wie dieser etwas von einem Überfall redete. Zur Rede gestellt, stritt der Filialleiter vehement ab, die Polizei informiert zu haben.
Benoit hätte ihm wohl Glauben geschenkt, so erzählte er später, wenn nicht kurz nach dem Anruf von der Polizei ein Kontrollanruf in der Filiale eingegangen wäre, um zu prüfen, ob es sich dabei nicht um einen Scherz handelte oder tatsächlich ein Banküberfall stattfände.
Das war erst der Auftakt einer Aneinanderreihung von Pannen
Eigentlich dürfen Einsatzkräfte sich dem Tatort in solch einer Situation nur unauffällig nähern. Doch in diesem Fall konnte Benoit selbst die Polizei nicht nur durch die Glastür draußen sehen, sondern die Polizisten unterhielten sich auch so laut, dass sie in der Filiale zu hören waren.
Somit war dem Polizeikenner Benoit klar, dass mit der Zeit immer mehr Polizeiwagen dort eintreffen würden und sie nicht mehr aus der Bank herauskämen.
Und so wurde aus einem Banküberfall eine Geiselnahme, die nie von den beiden Straftätern geplant war.
Die Geiselnahme
Während den Verhandlungen zwischen den Bankräubern und der Polizei vermittelte der anwesender Priester Johannes Rochwalsky. Er war derjenige, der zwischen Bank und Polizei hin- und herlaufen durfte, um die Nachrichten zu übermitteln.
Die Geiseln und auch Benoit baten ihn, sich als Austauschgeisel für das Fluchtauto zur Verfügung zu stellen. Benoit war sich sicher, mit einem Kirchenmitglied bessere Chancen zu haben.
Leider war die Angst des Seelsorgers wesentlich größer als sein Heldenmut. Er gab dies zu und sagte: „Das darf ich nicht tun!“
Der extra aus Hessen angereiste Polizeipsychologe Klaus Thiessen ging bei der Drohung von Benoit, einer Frau ins Knie zu schießen, irrtümlich davon aus, dass dieser es nicht so ernst meinte.
Hatte der Geiselnehmer Benoit ein Gewissen?
Zwar erhielten die Bankräuber das geforderte Lösegeld in Höhe von 1,2 Millionen DM schon am Nachmittag um 16 Uhr, sowie das Fluchtauto. Jedoch zogen sich die Verhandlungen noch bis in die frühen Morgenstunden. Immer wieder wurde der Gebrauch der Schusswaffe von den Geiselnehmern ins Gespräch gebracht und vom Psychologen heruntergespielt.
Man war sich im Nachhinein sicher, dass wenn der Seelsorger bereit für den Austausch gewesen wäre, die späteren dramatischen Entscheidungen der Räuber anders ausgefallen wären und niemand zu Schaden gekommen wäre.
Zu später Stunde bat Benoit um einen Arzt und schoss dem Bankangestellten Detlef Becker direkt ins Knie. Becker, nur 19 Jahre jung, hatte sich an Stelle einer Frau, die Benoit ausgewählt hatte, freiwillig bereit erklärt, um diese zu schützen.
Der Priester brachte den schwer verletzten Becker nach draußen, damit er ärztlich versorgt werden konnte.
Die Täter entkommen mit dem Geld
Spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannte der Einsatzleiter Franz Barth, dass die zwei Bankräuber ernst zu nehmen sind und der Banküberfall nicht so schnell vorbei sei.
Um 2:58 Uhr wurde das Fluchtauto gestartet. Dieses war so präpariert, dass es aus der Ferne manipuliert und zum Stehen gebracht werden konnte. Sie fuhren damit Richtung Norden.
Benoit bemerkte jedoch das plötzliche Ruckeln des Wagens und ließ ihn einfach stehen, um mit einem anderen Wagen weiter zu fahren. Dies wiederholt er noch einige male, einmal nimmt er sogar ein Polizeiauto zur Flucht.
Die Pannen finden einfach kein Ende
In dem Wagen können die Täter den Polizeifunkt verfolgen und tricksen so den Polizeihubschrauber aus. Zwischendurch kommt es zu einem Schusswechsel mit der Polizei und Benoit nimmt eine weitere Geisel, einen Polizeibeamten, mit auf seine wilde Reise in die Eifel.
Zwischendurch verlief die Fahndung ins Leere, weil das vorher vereinbarte Codewort „Sonnenschein“ nicht genannt wurde. Dann fuhren Polizeiwagen in die falsche Richtung, weil man links mit rechts verwechselte.
Am Ende haben die zwei Räuber drei Geiseln im Wagen, binden diese später an einen Baum und flüchten alleine weiter.
Die Räuber selbst legen auf ihrer Flucht falsche Fährten
Sie selbst rufen bei der Polizei an und geben einen falschen Hinweis, der einen großen Polizeieinsatz in Kall-Scheven auf einem Bauernhof nach sich zieht. Die Täter sind jedoch in der Zwischenzeit schon längst in weiter Ferne.
Erst Tage später werden die Diebe gefangen
Es soll Tage dauern, bis die Polizei den Bankräubern auf die Spur kommt. Benoit hatte zwischenzeitlich noch eine weitere Schießerei in Köln und wurde später in München festgenommen.
Der Verbrecher wurde zu 25 Jahren verurteilt. Über seinen Komplizen, den Tischler Ernst Schluschus ist nicht bekannt, zu welcher Haft er verurteilt wurde, noch was aus ihm geworden ist.
Wo war das Geld aus dem Banküberfall?
Jetzt könnte man meinen, das alles kann nicht gesteigert werden. Aber es kommt noch skurriler! Denn wenige Tage nach dem Banküberfall buddeln einige Polizeibeamte des SEK in der Eifel, in dem beschaulichen Ort Kall auf dem Friedhof ein Loch. Hier vermuten sie das Lösegeld.
Doch warum gerade in Kall? Und hier betritt eine weitere Person die Überfallbühne: Helga M. aus Kall, bekannt als „dat Musch“.
Ihr erster Ehemann, ein Berufskraftfahrer, begeht 1965 Selbstmord und wird in Kall begraben. Helga M. zieht anschließend nach Spanien, heiratet dort ein zweites mal. Doch diese Ehe zerbricht. Daraufhin kehrt Helga M. zurück in ihre Heimat, nach Kall in der Eifel.
In Köln lernt sie dann den Polizeibeamten Gerhard Benoit kennen und lieben. Als Benoit nach einem Zwischenlager für die Beute aus dem Banküberfall sucht, erinnert sich seine Geliebte an das Grab ihres ersten Mannes.
Die Ironie der Geschichte liegt darin, dass der Mann von Helga M. sich seinerzeit umbrachte, weil er große Geldsorgen hatte. Nun wurde er kurzerhand zu einem reichen Mann, wenn auch ein toter reicher Mann.
Helga M. wurde später zur Haftstrafe wegen Hehlerei und Begünstigung verurteilt.
Was ist aus den Verbrechern geworden?
Die Spur des Tischlers und Komplizen Ernst Schluschus verliert sich gänzlich. Der „Star“ des Verbrechens, Gerhard Benoit, hat während der Verhandlungen das Ruder an sich gerissen, indem er viel erzählt und dabei die Polizei verhöhnt hat.
Aber auch während seiner Haft wurde ein letzter Artikel über ihn am 15. Mail 2005, ein Jahr vor seiner Entlassung, veröffentlicht. Darin gab Benoit zu Protokoll, dass er im Gefängnis zu Gott gefunden habe. Er nannte sich damals „Dan Siluan“ und hatte damals vor, nach seiner Haftstrafe auf eine griechische Insel auf den Berg Athos, einer Mönchsrepublik auszuwandern.
Ob er dies in die Tat umgesetzt hat, bleibt offen, denn eine Recherche verlief im Nichts.
Der Held der Geschichte ist leider ein Vergessener
Kommen wir zurück zu dem Schreckenstag des Überfalls zu dem Moment, als sich ein junger Bankangestellter, Detlef Becker, als Geisel zur Verfügung stellt, um das Leben einer Frau zu schützen.
Er war damals nach seiner Ausbildung als Angestellter in der Filiale am Schenkendorfplatz tätig. Ihm muss während dem Banküberfall bewusst gewesen sein, dass die Diebe es ernst meinen und auf sein Bein schießen werden.
Vielleicht hat er sich gedacht, eine Verletzung am Bein würde er überleben. Sollte er auch. Aber leider kam es anders. Detlef Becker, der Held dieser wirren Geschichte, verstarb leider nach zehn Tagen an den Folgen der Verletzung wegen einer Lungenembolie und Thrombose.
Der Skandal nach dem Banküberfall
Detlef Becker wurde nach seinem tragischen Tod das erste Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Dies wird Menschen verliehen, die besondere Leistungen vollbracht haben.
Am 16. Oktober 1986, vier Jahre nach dem Überfall, wurde eine Gedenktafel an der Sparkassen-Filiale am Schenkendorfplatz angebracht.
Jahre später wurde diese Gedenktafel dann in der Sparkasse in der Bahnhofstraße befestigt, um dann im Verwaltungshochhaus der Sparkasse am Wöllershof für die Öffentlichkeit nicht einsehbar zu verschwinden.
Fragen bleiben offen
Warum musste ein Banküberfall überhaupt so eskalieren? Wie kommt es, dass mehrmals ein Polizeiauto in Verbrechen verwickelt waren? Weshalb kann ein Vorbestrafter mehrere Jahre unbemerkt bei der Polizei arbeiten?
Aber die wohl wichtigste Frage, und dabei handelt es sich um die Frage, die mich zu diesem Artikel motiviert hat, ist: Warum verschwindet eine Gedenktafel für einen wahren Helden, der sein Leben freiwillig für jemand verloren hat?
Will man hier eventuell die vielen Fehler ungesehen und damit „ungeschehen“ machen? Das kann und darf nicht sein, wie ich finde. Für mich ist Detlef Becker ein Held, ein Vorbild und ich würde mir wünschen, dass seine Geschichte, sein Einsatz während dem Banküberfall nicht in Vergessenheit gerät.
Er wäre heute ein 51-jähriger Mann, der mitten im Leben steht, vielleicht Frau und Kinder hätte…… Ich bin dafür, dass die Denktafel wieder dort aufgestellt wird, wo sie hingehört: Als Mahnmal für Zivilcourage vor der Sparkassen-Filiale am Schenkendorfplatz.
Meine Empfehlung
Ich möchte heute auf keine Sehenswürdigkeit oder ähnliches hinweisen. Meine Empfehlung wäre, dass wir das Wiederanbringen des Denkmals öffentlich erbitten. Bist du dabei? Dann hinterlasse hier gerne einen Kommentar!
Anreise
Wenn du dir die Sparkassen-Filiale, in welcher der Banküberfall stattgefunden hat, anschauen möchtest: Du findest sie in der Schenkendorfstr. 24, 56068 Koblenz.
Mit dem Rad kommst du über die Hohenzollernstraße dort hin. Mit dem Bus kannst du mit der Linie 1/11 Richtung Lahnstein, oder der Linie 3/13 Richtung CGM Areal/Stadion an der Haltestelle „Schenkendorfplatz“ aussteigen und bist direkt vor Ort.
Aussicht auf nächste Woche
Musik, ein historischer Ort, den die wenigsten je von innen gesehen haben, Geschichte und Genuss. Ich nehme dich nächste Woche mit an einen wunderschönen Ort, den man immer mal wieder mit musikalischer Untermalung besuchen kann. Lass dich überraschen!
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